Den Spagat zwischen Momlife und Buchautorin meistern

Meine Gesprächspartnerin: Annika Bühnemann/vomschreibenleben.de

 
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– Erzähl uns, wie du zum Schreiben gekommen bist, Annika

Ich gehöre zu den Autorinnen, die schon geschrieben haben, seit sie ein b von einem d unterscheiden konnten. In meiner Jugendzeit habe ich gerne Romananfänge geschrieben, aber nie etwas zu Ende gebracht.

Ernst wurde es erst, als ich mich beruflich neu orientiert habe und einige Wochen Zeit hatte, um mich mal auf Dinge zu konzentrieren, die mir Spaß machen. Das war 2012, und ich schrieb innerhalb von sechs Wochen den ersten Entwurf zu meinem Debütroman, einem humorvollen Liebesroman.


- Mit deinem Projekt „Vom Schreiben leben“ unterstützt du vor allem Frauen.

Warum ist dir das so ein wichtiges Anliegen?

Zunächst einmal muss ich zugeben, dass ich einfach unheimlich gerne mit Frauen zusammenarbeite. Die Literaturwelt wimmelt vor Autorinnen, und trotzdem tauchen sie auch heute noch selten im Rampenlicht auf.

Frauen gewinnen weniger Literaturpreise als Männer und scheinen generell weniger Vertrauen in ihre Fähigkeiten zu haben. Dort setze ich an und möchte Frauen – und natürlich auch Männer – ermutigen, an sich zu glauben und den Traum vom eigenen Buch zu verfolgen.

Dazu bringe ich ihnen das Handwerk des Schreibens bei, verhelfe ihnen zu einer Verkaufsstrategie und begleite sie bei ihren ersten Schritten in Richtung „Vollzeitautorin“, wenn das denn ihr Wunsch ist.


- Wie bringst du das Mutter-Sein und Schreiben zeitlich unter einen Hut?

Gar nicht im Moment! Meine Tochter ist 16 Monate alt und seit sie auf der Welt ist, habe ich wirklich wenig geschrieben. In den ersten Wochen hätte ich noch Zeit gehabt, aber spätestens seit sie mobiler ist und Aufmerksamkeit einfordert, bleibt das Schreiben auf der Strecke. Ich könnte abends schreiben, wenn sie schläft, aber da bin ich oft zu müde oder erledige dringende Dinge für „Vom Schreiben leben“.

Was mir hilft ist, dass ich mir Unterstützung von außen hole. Ich habe eine Babysitterin, die zwei mal pro Woche für zwei Stunden kommt und mit meiner Tochter spielt, sodass ich in dieser Zeit dazu komme, an meinem Thriller zu arbeiten. Wenn die Kleine eineinhalb Jahre alt ist, kommt sie für drei, vier Tage pro Woche in die Kita, sodass ich dann wieder stundenweise arbeiten kann.

Ich denke, es ist wichtig, sich nicht zu sehr unter Druck zu setzen. Ich habe erkannt, dass ich teilweise wochenlang nicht schreiben kann, und das ist in Ordnung. Mein Leben sieht jetzt einfach anders aus, also verändert sich auch meine Schreibroutine. Solange ich mein Ziel nicht aus den Augen lasse und kontinuierlich in kleinen Schritten an dessen Erreichung arbeite, bin ich zufrieden.


- Welche Tipps hast du für Frauen in einer ähnlichen Situation: Wie können sie regelmäßig an ihren Buchprojekten arbeiten?

Überlegt euch, welche Zeitfenster ihr bereits nutzen könnt – frühmorgens, in der Mittagsschlafzeit, am Abend – und bindet eure Partner und Familien ein, wenn das geht. Besprecht in der Familie, ob es möglich ist, feste Zeiten einzurichten, in denen ihr schreiben könnt. Vielleicht ist es möglich, jemanden als Babysitter zu engagieren oder die Kinder von Familienmitgliedern betreuen zu lassen.

Es kommt natürlich sehr darauf an, wie alt die Kinder bereits sind und ob man zu Hause ist oder arbeiten geht. Nehmt euch vor, regelmäßig wenigstens 50 oder 100 Wörter an eurem Buch zu schreiben. Das klingt zwar nach wenig, hilft euch aber, im Fluss zu bleiben. Meiner Erfahrung nach braucht man die Unterstützung von Freunden und Familie, um Kinder, Arbeit und das Schreiben unter einen Hut zu bringen.


- Die Studie “Frauen in Medien und im Literaturbetrieb” zeigt, dass Männer eher die Bücher von Männern rezensieren und weiterempfehlen.

Was können wir als Blogger deiner Meinung nach tun, um weiblichen Autoren mehr Gesicht zu geben?

Es gibt zum Glück bereits tolle Aktionen, die Bücher von Autorinnen unterstützen, beispielsweise mit dem Hashtag #autorinnenzeit (initiiert von einem Autor, nämlich Sven Hensel).

Ich denke, dass es anfangs erst einmal notwendig ist, sich überhaupt der Tatsache bewusst zu sein, dass viele erfolgreiche Bücher von Männern geschrieben wurden und die Frauen dabei manchmal untergehen.

Das Thema ist sehr weitreichend, aber ich will mich kurz fassen: Sensibilisiert eure Sinne einfach und schaut mal, welche Bücher ihr lest. Gibt es in diesem Genre auch Bücher, die von Frauen geschrieben wurden? Dann lest und besprecht sie zu gleichen Teilen wie die der Männer. Das Geschlecht sollte beim Schreiben meiner Meinung nach keine Rolle spielen, egal, ob es sich nun um Männer, Frauen oder Menschen handelt, die sich nicht in eine dieser Kategorien einbringen lassen.

- Frauen stellen ihr Licht tendenziell eher in den Schatten.

Auf meinem Blog spreche ich vom „Autoren-Mindset“. Autor zu werden und seinen Namen ins Rampenlicht zu stellen ist Arbeit an den eigenen Glaubenssätzen: Wie groß und positiv denke ich über mein eigenes Können. Was denkst du darüber?

Diese Erfahrung habe ich auch gemacht. Wenn ich eine Anfrage von einem Mann bekomme, dann lautet sie in der Regel so: „Hallo Annika, ich habe ein Buch geschrieben, mit dem ich zu einem großen Verlag möchte. Würdest du da mal drüberschauen?“.

Wenn mir eine Frau schreibt, dann klingt es fast immer so: „Hallo Annika! Ich möchte mich zuerst einmal vorstellen: (Hier kommt dann ein Abriss über die Biografie der Frau und wie sie zum Schreiben kam). Ich habe nun also den groben Entwurf meines ersten Romans und bin völlig verunsichert, ob ich es richtig gemacht habe oder ob die Geschichte spannend ist. Zwar versichern mir meine Testleser, dass sie das Buch lieben, aber ich möchte es gerne einmal von einem Profi einschätzen lassen. Ob ich mich traue, es zu einem Verlag zu schicken, weiß ich noch nicht, obwohl das mein größter Lebenstraum wäre.“

Diese Verunsicherung haben Frauen ja nicht nur beim Schreiben, sondern überall im Arbeitsleben und sehr oft sogar in Bereichen, die sie eigentlich beherrschen. Deshalb liegt ein großer Teil meiner Arbeit mit Autorinnen auch auf dem Aufbau von Selbstvertrauen. Nur, wer davon überzeugt ist, dass er eine tolle Geschichte geschrieben hat, kann sie auch in die Welt tragen und mit Kritik umgehen, die so oder so immer kommt.


- Was braucht es, um mit Büchern Erfolg zu haben?

Sehr oft glauben die Menschen, dass jemandem der Erfolg zugefallen ist und dass derjenige einfach Glück hatte. Niemand sieht die Jahre harter Arbeit dahinter.

Leider gibt es ja keinen Bestseller-Code, mit dem man sicher sagen kann, dass ein Buch Erfolg haben wird. Einfach ausgedrückt würde ich sagen: Das Buch ist erfolgreich, wenn die Erwartungen der Zielgruppe nicht nur erfüllt, sondern sogar übertroffen werden. Aber wie erreicht man das?

Das ist so individuell wie die Zielgruppe selbst. Es gibt wahnsinnig schlecht geschriebene Bücher, die sich trotzdem verkaufen wie Eis im Sommer. Daneben gibt es handwerklich sehr gut geschriebene Bücher, die niemand liest.

Für mich ist es deshalb wichtig, zu wissen, wer das Buch später mal lesen soll. Was erwarten meine Leser von meiner Geschichte? Wie kann ich dafür sorgen, dass sie positiv überrascht werden? Dazu müssen die einzelnen Bestandteile wie Titel, Cover und Klappentext natürlich ebenfalls die Zielgruppe ansprechen. In erster Linie aber plädiere ich dafür, eine Geschichte zu schreiben, die man selbst unheimlich liebt. Im zweiten Schritt kann man dann (bei der Überarbeitung) darüber nachdenken, wer die Zielgruppe ist und wie man sie erreicht.


- Welche Tipps würdest du einer Neulingsautorin mit auf den Weg geben?

Schreibe die Geschichte, die du selbst lesen willst.

Erlerne das Schreibhandwerk, indem du Ratgeber liest und mit Lektoren zusammenarbeitest (Stichwort Show, don’t tell, Vergleiche, Metaphern, mit allen Sinnen schreiben, Konflikte einauen, Fallhöhe ausbauen, etc.)

Mache dir einen Plan, wann du schreiben kannst und versuche, dich daran zu halten (zum Beispiel jeden Abend von 19 bis 20 Uhr)

Glaube an dich! Jeder Autor und jede Autorin hat beim Schreiben Phasen, in denen man das Geschriebene einfach nur grottig findet und alles hinschmeißen will. Kämpfe dich durch diese Phasen.

Wenn du feststeckst, tausche dich mit anderen aus! Es schreibt sich viel besser, wenn man nicht das Gefühl hat, in völliger Abgeschiedenheit auf sich allein gestellt zu sein.

Finde heraus, was dich motiviert! Brauchst du Druck (z. B. Deadlines), um zu schreiben, oder hindert dich das? Willst du über deine Schreibfortschritte berichten oder lieber erst einmal alles für dich behalten? Schreibst du am liebsten im stillen Kämmerlein oder inspiriert dich eine Café-Umgebung? Kannst du besser mit einem geplanten Plot schreiben oder völlig frei? Ich empfehle dir, beide Varianten auszuprobieren, bevor du dich entscheidest, da die meisten Anfänger denken, dass sie keinen Plan brauchen, tatsächlich aber oft besser damit fahren, einen zu erstellen.

Gib nicht auf, wenn es ein bisschen schwierig wird.

Für Fortgeschrittene: Mache dir klar, warum du das alles tust, um dich in schwierigen Situationen zu motivieren. Visualisiere deine Ziele.


Annika kann unter https://www.vomschreibenleben.de/blog/ kontaktiert werden.


Danke für deine Zeit!

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