In der Stille liegt viel Kraft
Meine Gesprächspartnerin: Melina Royer, Co-Gründerin von Vanilla Mind
- Du bist Co-Gründerin von Vanilla Mind – Still und stark. Erzähl uns bitte über eure Motivation, Vanilla Mind zu gründen und was eure Vision ist.
Mein Mann Timon und ich haben Vanilla Mind gegründet, um ruhigeren Menschen zu helfen, in dieser lauten Business-Welt selbstbewusst ihren eigenen Weg zu gehen.
Wir Stilleren haben es im Beruf manchmal nicht so einfach: Oft scheint es, als würden eher die lauteren Charaktere bevorzugt werden und Erfolg haben. Wenn man selbst ganz anders tickt, kann man sich da schon mal fragen: „Was stimmt mit mir nicht? Muss ich mich jetzt von Grund auf ändern?“
Wir machen Mut und zeigen, wie stille Menschen ihre Stärken einbringen können, ohne sich zu verbiegen. Und vor allem, ohne sich ständig selbst infrage zu stellen. Selbstvertrauen ist ein wichtiges Thema auf Vanilla Mind. Wir glauben: Ein starkes Selbstvertrauen kann man trainieren wie einen Muskel. Darum lautet unser Motto auch Still UND Stark!
- Stimmt es, dass Frauen weniger selbstbewusst sind als Männer?
Ich halte nicht viel von Klischees, aber ich glaube, diese Situation kennen viele: Man ist zwar top vorbereitet und gut ausgebildet, redet ihre Leistung aber häufig klein und muss förmlich gezwungen werden, das auch vor anderen zu zeigen. Und dann sieht man einen Moment später zu, wie jemand mit mehr Selbstbewusstsein an einem vorbeizieht.
Tatsächlich bestätigt eine Studie der IUBH Bonn, dass Frauen ihre eigenen Stärken oft niedriger einschätzen, als es ihr direktes Umfeld tut. Trotzdem sei an dieser Stelle gesagt: Nicht alle Frauen sind extrem selbstkritisch und nicht alle Männer automatisch von sich selbst überzeugt. Timon war früher auch alles andere als selbstbewusst.
- Manchmal fällt mir auf, dass leise und ruhige Selbstständige ihre Besonderheit wie ein Alleinstellungsmerkmal nutzen. Was hältst du davon, sie zu einem Alleinstellungsmerkmal zu machen?
Naja, statistisch gesehen ist Introversion als Charaktermerkmal sicher kein Alleinstellungsmerkmal. Schätzungen zufolge sollen mehr als ein Drittel der Weltbevölkerung introvertiert sein. So viel also zu den Zahlen.
Für Einzelunternehmer*innen, die selbst im Mittelpunkt ihrer Marke stehen, finde ich es aber sehr clever, die eigenen Charaktermerkmale fürs Marketing zu nutzen. Denn ich will ja mit Menschen zusammenarbeiten, mit denen ich auf einer Wellenlänge bin. Ich möchte ja, dass jemand meine Website besucht und dort gleich merkt: „Ah, hier fühle ich mich verstanden und abgeholt. Hier stimmt die Chemie.“
Wenn ich für mich selbst spreche, bedeutet das: Meine Website ist eher schlicht. Ich bin kein bunter Kakadu, sondern ich verwende Farbe eher sparsam. In meinem About komme ich ziemlich schnell zu dem Detail, dass ich mir wegen meiner Schüchternheit mein Abi versaut habe. Das ist wichtig für meine Leser*innen, weil sie sich dadurch gegebenenfalls mit mir identifizieren können. Schließlich geht es ja auf Vanilla Mind um Mut und Selbstvertrauen.
- Viele Buchautor*innen lieben das Schreiben. Sie scheuen sich aber, ihre Bücher aktiv zu vermarkten. Es kommt ihnen marktschreierisch vor. Welche Tipps kannst du introvertierten Buchautor*innen geben, um ihre Bücher zu vermarkten?
Langsam herantasten und die Kanäle wählen, mit denen man sich wohlfühlt. Ich nutze gerne meinen Newsletter (bei uns heißt er Mut-Letter), um über meine Arbeit zu informieren. Das ist ja auch eine Form von Werbung, aber eine sehr subtile, unaufdringliche. Ich betrachte meinen Mut-Letter wie einen persönlichen Brief.
Wer gerne auf Instagram, Facebook und Co. unterwegs ist, kann sich auch dort mit einfachen Mitteln präsentieren: Rezensionen zu den eigenen Werken reposten, Auszüge und Zitate teilen, Fun Facts und Details aus dem Entstehungsprozess zeigen, Mitmachaktionen starten, aktiv nach Feedback fragen. Mittlerweile ist es nicht mehr so einfach, große Reichweiten aufzubauen, aber die braucht es auch nicht zwingend. Viel wichtiger ist zunächst: Die Leser*innen wirklich miteinbeziehen und eine starke Gemeinschaft aufbauen. Das kostet Zeit, aber es lohnt sich.
- Manche Buchautor*innen wirft eine negative Rezension aus der Bahn und sie scheinen die guten Rezensionen nicht mehr wahr zu nehmen. Wie soll man als introvertierter Mensch solche Situationen selbstbewusst meistern?
Mir hilft da besonders: Erstmal tief Luft holen und durchatmen. Ich mache mir bewusst: Es ist meine Entscheidung, wen ich in meinen Kopf lasse und ich frage eine zweite Person nach ihrer Meinung.
Bevor ich mich von irgendwem beleidigen lasse, muss ich die Person erstmal durchleuchten: Wer ist sie? Kennt sie mich? Kennt sie meinen Charakter oder ich ihren? – Im Falle von Buchrezensionen weiß ich ja meist gar nichts über die Person. Klar tut dem eigenen Ego das weh, aber der beste Umgang mit schlechten Bewertungen ist: ignorieren und weitermachen. Ich habe über das Thema Kritik auch einen Artikel mit vielen weiteren Tipps verfasst: Kritik, die richtig wehtut – Wie kann ich mich besser abgrenzen?“
- Auf eurer Webseite führt ihr neben dem Blog auch einen Podcast. Sollen ruhige Buchautor*innen neben dem Schreiben auch andere Formate probieren, um besser sichtbar zu werden?
Das hängt von den eigenen Vorlieben ab, aber ich empfehle, sich mit den unterschiedlichen Medien auseinanderzusetzen und es einfach zu versuchen. Zusätzliche Formate liefern einen persönlicheren Bezug zum Autor/zur Autorin.
Ich habe mich ein paar Jahren an Youtube versucht und festgestellt: Video ist einfach nicht mein Medium. Ist okay so, ich habe es einfach ausprobiert.
Vom Podcasten dachte ich zunächst auch, dass es nichts für mich wäre, aber siehe da, es macht mir immer mehr Freude, weil ich in Timon ja auch einen guten Gesprächspartner habe. Monologe hingegen schrecken mich eher ab.
Von vornherein ein Format oder Medium mit den Worten „Ist nichts für mich.“ abzulehnen, finde ich schade. Stattdessen sollte man sich öfter fragen „WIE könnte dieses Format für mich funktionieren?“
- Die vorherige Frage führt mich zu dieser: Sollen ruhige Menschen aus deiner Sicht aus ihrer Komfortzone herausgehen oder in ihr bleiben und ihre Stärken nutzen?
Wir plädieren für ein „Sowohl-als-auch“ statt einem „Entweder-oder“. Wir brauchen Ausgeglichenheit, also eine gesunde Balance im Umgang mit der eigenen Wohlfühlzone. Dazu gehört natürlich auch, dass man diese Wohlfühlzone ab und zu mal verlässt, um dazuzulernen und neue Erfahrungen zu machen. Ansonsten findet ja kein Wachstum statt. Ich mag dieses Zitat von Henry Ford: „Wer immer tut, was er schon kann, bleibt immer das, was er schon ist.“
Als Tipp zum Stichwort Mutausbruch: Fang zunächst mit etwas an, das dich nicht gleich überfordert. Stecke dir Ziele, die erstmal so klein sind, dass du nicht scheitern kannst. Das gibt dir Mut zum Weitermachen. Es muss nicht immer gleich der Sprung ins kalte Wasser sein. Man kann seine Komfortzone auch in kleinen Schritten kontinuierlich erweitern.
- Kannst du uns zu euren Themen gute Bücher, Podcasts oder Vlogs empfehlen?
Zum Thema Podcast empfehle ich gern unseren Podcast: Still & Stark – Der Podcast für leise Menschen mit innerer Stärke. Meine Kollegin Kerstin Fuhrmann macht außerdem einen tollen Podcast für sensible Menschen: „Gefühlt erfolgreich“.
Als Lektüre für leise Menschen, die sich selbst besser kennenlernen möchten, ist „Still: Die Kraft der Introvertierten“ von Susan Cain mittlerweile ein richtiger Klassiker.
Wer sich selbst als schüchtern und ängstlich im Umgang mit anderen bezeichnen würde, findet sich in meinem Buch „Verstecken gilt nicht“ bestimmt wieder und bekommt Hilfen an die Hand, um Schritt für Schritt mehr Selbstvertrauen zu gewinnen.
Vielen Dank für deine Zeit!